| *** Mit dem 78er Album Some Girls bewiesen die Rolling Stones, daß sie ihre beste Zeit schon lange hinter sich hatten. Gewiß, schlecht ist das Album nicht und mit Miss You, Beast Of Burden und Far Eyes Away enthält einige wirklich gute Songs. Aber gemessen an dem hohen Standart, den sie vor allen in den Jahren 1967-1973 geschaffen haben, ist das Album eher Durchschnitt. Demnach konnte es eigentlich nur besser werden. Fast zwei Jahre ließen sie sich für ihr nächstes Werk Emotional Rescue Zeit. Und das Album beginnt überraschend gut: Dance ist ein knackiger Funksong mit starken Bläsereinlagen, der angenehm an starke Zeiten eines James Brown erinnert. Und die Rolling Stones, eh die schwärzeste weiße englische Band überhaupt, spielt diese Musik so, als wenn sie etwas anderes gespielt hätte. In Summer Romance spielen sie einen ziemlich frischen Rock & Roll. Zwar ist das Stück nichts besonderes, beweist aber, daß die Stones nichts verlernt haben. Reggae hieß in der zweiten Hälfte der 70er Jahre ein Trend in der internationalen Musikszene und fast jede weiße Gruppe hatte mindestens einen Reggaesong in ihrem Repertoire. Die Stones geben sich mit Send It To Me zwar die größte Mühe, daß so etwas wie Reggaefeeling aufkommt, doch irgendwie will der Funke nicht überspringen. Das flotte Stück ist zwar nicht übel, wirkt aber ein wenig blutleer und offenbart, daß die Stones nicht jeder Spielart der schwarzen Musik sattelfest sind. Let Me Go klingt wie ein Stonesrocker von der Stange, jenseits von Gut und Böse, der eigentlich nur unverbesserlichen Stones Fans gefallen dürfte. Ein Hauch von Exile On Main Street-Zeiten weht über Indian Girl, neben Dance dem besten Stück von Seite 1. C&W- und leichte Tex-Mex-Einlagen verleihen dem Stück eine besondere Atmosphäre. Hier beweisen die Herren Jagger, Richards, Wood, Wyman und Watts das sie es einfach draufhaben, wenn sie nur wollen. Where The Boys Go ist ein gradliniger Rocker mit einem Schuß New Wave (!). Zwar ist dieses Stück nicht gerade eine Offenbarung, beweist aber, daß die Stones nach wie vor mächtig abrocken können. Mit Down In The Hole lassen die Stones noch einmal Erinnerungen an ihre besten Zeiten wach werden. Der kraftvolle Slow-Blues mit seinen tollen Mundharmonikaeinlagen ist einfach nur geil. Emotional Rescue kann man eigentlich nur sehr schwer bewerten, denn dieses Stück ist grauenhaft und faszinierend zugleich. Mick Jagger singt mit Kopfstimme Bee-Gees-like, nur das die Brüder Gibb diesen Gesangstil wesentlich besser beherrschen als Mick Jagger. Allerdings ist dieses Stück so eingängig, daß man es, einmal gehört, so schnell nicht wieder vergißt. Nicht umsonst war Emotional Rescue im Sommer 1980 ein internationaler Tophit. Singleauskopplung Nummer 2 aus dem Album, bei weitem aber nicht erfolgreich wie Emotional Rescue, war Shes So Cold. Shes So Cold bietet zeitgemäßen Rock mit leichtem New-Wave-Einschlag. Den Abschluß eines mittelprächtigen Albums bietet die eher langweilige Ballade All About You. Hier singt zur Abwechslung mal Keith Richards. Wenn man das ganze Album durchgehört hat, verspürt man kaum Lust, es sich ein zweites Mal anzuhören. Mit Dance, Down In The Hole und Indian Lady beinhaltet es zwar drei wirklich starke Stücke, aber nur drei gute Stücke sind für ein ganzes Album etwas zu wenig, vor allem dann, wenn der Rest nicht mehr als Mittelmaß ist. Hätten sie diese drei Stücke plus Emotional Rescue und meinetwegen Shes So Cold mit den besten Stücken aus Some Girls gekoppelt (Miss You, Far Eyes Away, Beat Of Burden sowie Shattered und Respectable, so wäre ein wirklich gutes Album dabei herausgekommen, das wie aus einem Guß klingt. So geizten die Stones aber mit Highlights und präsentierten diese (wie auch auf späteren Alben) eher spärlich. Was die beiden Vorgänger Black And Blue und Some Girls schon andeuteten, macht Emotional Rescue deutlich: Bei den Rolling Stones war die Luft endgültig raus und sie taten in der Gewißheit, daß die Fans ihr neues Werk eh kaufen, nicht mehr als nötig. Wenn sie sich wirklich anstrengen, dann kamen wirklich gute Stücke heraus. Aber bei der Klasse der Stones sind drei gute Stücke auf einen Album einfach zu wenig. Wer die Stones mag, wird Emotional Rescue wohlwollend zur Kenntnis nehmen, aber selten darauf zurückgreifen und sich aber lieber Beggars Banquet, Let It Bleed, Sticky Fingers und Exile On Main Street reinziehen. |