****** Die ganzen großen Bands der Beat-Ära, sprich The Beatles, The Who und The Kinks, hatten ihr musikalisches Material zum größten Teil selber verfaßt. Auch die großen Hits der Rolling Stones waren zum größten Teil Eigenkompositionen. Aber auf ihren ersten vier Longplayer spielten sie zum größten Teil Fremdkompositionen. 1966 war ich Selbstbewußtsein anscheinend so groß, daß sie sich für ihr fünftes Werk Aftermath nur noch auf eigenes Material, sprich Stücke aus der Feder von Mick Jagger und Keith Richards verließen. Das war auch gut so, denn die Kompositionen von Mick und Keith verfügten schon damals über ein enormes Potential. Mit Aftermath konnten sich die Stones endlich freischwimmen, ist das Album doch die Grundlage für jene fantastischen Werke, die sie bis 1973 produzierten.<br>Als erstes sticht einem das fantastische Cover (Gruppenfoto in altrosa und schwarz) ins Auge. Dieses Cover macht neugierig auf den musikalischen Inhalt, und der ist klasse. Wie es sich für eine Spitzenband jener Zeit gehört, bieten die Stones nicht den damals für eine Langspielplatte handelsüblichen Ablauf diverser Singlehits, die entsprechenden B-Seiten und einigen neuen Songs, sondern bieten ein extra für eine LP konzipiertes Programm. In diesem Fall sind das 14 Stücke mit einer Laufzeit von fast 50 Minuten und somit teilweise fast doppelt so lang wie eine damals übliche Langspielplatte (wenn man bedenkt, daß zum damaligen Zeitpunkt die meisten Lieder nicht länger als 3 Minuten waren). Und die Stones bieten ein echtes Novum für die damalige Zeit: Goin Home weist 11:35 Minuten das wohl damals längste Stück einer Rockgruppe auf. Gewiß, dieses Stück dürfte nicht jedermans Sache sein, denn in dieser langen Spielzeit gibt es kaum Instrumentalpassagen, es ist zum größten Teil von Gesangpassagen geprägt, so daß sich zeitweise eine gewisse Monotonie breit macht. Trotzdem gehört es meines Erachtens zu den herausragenden Stücken der frühen Stones, weil sie einfach den Mut hatten etwas Außergewöhnliches zu machen, das seinerzeit den Rahmen des Üblichen sprengte. Auch die restlichen Stücke sind eine Klasse für sich, stellvertretend dafür sind die Singlehits Mothers Little Helper, Lady Jane und Under My Thumb (alle drei Stücke sind mittlerweile längst unverwüstliche Klassiker) sowie das grandiose, über fünf Munuten lange Out Of Time, das in der Version von Chris Farlow 1966 eine Nummer 1 in England war und in gekürzter Version den Stones im Spätsommer 1975 (als Singleauskopplung aus dem Sampler Metamorphosis) einen kleinen Hit in den USA bescherte.<br>Wer die Stones mag, der wird an Aftermath seine helle Freude haben und wer die frühen Werke der Band einmal kennenlernen möchte, der findet mit dem Album einen guten Einstieg. Trotz der ein oder anderen kleinen Schwachstelle halte ich die Höchstnote für den frühesten der Stones-Klassiker für durchaus angemessen. Davon einmal abgesehen, das perfekte Album der Stones gibt es nicht. Selbst bei ihren ganz großen Werken wie Their Majesties Satanics, Beggars Banquet, Let It Bleed, Sticky Fingers und Exile On Main Street gibt es die ein oder andere Stelle, über die man geteilter Meinung sein kann. Ich glaube, der ein oder andere Stones-Fan wird da mit mir einer Meinung sein. Last edited: 08.09.2007 13:28 |